07.03.2012, 21:05
Wiedervereinigung wirklich gewuenscht?
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(07.03.2012, 17:44)Schwabe schrieb: ich sehe auch schwarz für eine Wiedervereinigung nach dem Prinzip "ein Land - zwei Systeme". Wenn, dann wären die beiden Koreas nur formal ein Land - die hoch gesicherte Grenze zwischen beiden Seiten müsste aber bestehen bleiben. Sonst hätte Nordkorea innerhalb von 2 Monaten keine Einwohner mehr, und im Süden bräche alles zusammen. Desweiteren müsste der Norden weiterhin seine Bürger einsperren und China müsste alle aufgegriffenen Flüchtlinge nach Nordkorea abschieben, sonst säßen bald alle Nordkoreaner in China. So eine Situation wäre genau dasselbe wie jetzt, die "Wiedervereinigung" wäre nur formaler Natur. Die Wiedervereinigung wurde von der Volksrepublik Korea nie in Frage gestellt auch keine übereilte Annäherung nach deutschem Muster. Eher eine welche sich über viele Jahre wenn nicht Jahrzehnte hinziehen würde unter Koexistenz beider Staaten. Die Volksrepublik kritisiert rein die Führung Südkoreas, nicht unbedingt das gesamte System und das südkoreanische Volk. Natürlich auch Teile des kapitalistischen Systems in Südkorea mit all seinen negativen Auswüchsen. In Südkorea gibt es im übrigen eine breite Opposition die mit den Zuständen in ihrem Land nicht zufrieden ist (Bspw. Besatzung durch die USA). Hierzu finden regelmäßig Demonstrationen statt. Warum sollte es hier nicht ein anderes Model geben, was sich von der deutschen Wiedervereinigung nach westlichem Muster abhebt? Was wäre daran aus zu setzten? Nur einmal als Beispiel. Ich fände einen solchen Schritt für überaus interessant und erwägenswert. Es könnte sich unter diesen Umständen durchaus ein interessanter Staat oder Staaten in Koexistenz entwickeln. Natürlich wird dies eine lange Zeit dauern. Sicherlich ein oder zwei Generationen. Aber warum sollte man dies nicht wagen? Für die koreanische Halbinsel wüde es mehr Souveränität und Unabhänigkeit von den USA bedeuten. Auch wenn es schwer sein wird dies zu erreichen. Auch müssten Kompromisse in der Wirtschaft, Verkehrswesen, Wohlstandsniveau und Bevölkerung beider Staaten gamacht werden. Gerade beim Wohlstandsniveau habe ich da so meine Zweifel ganz abgesehen von den wirtschaftlichen Interessen der USA. Wenn ich unser deutsches Modell betrachte, wo innerhalb von wenigen Jahren tausende Arbeitsplätze in der ostdeutschen Industrie und im Verkehr zunichte gemacht wurden und mit der DDR so ziemlich abgerechnet wurde. Kohl´s "blühende Landschaften" in Form von Industriebrachen und riesigen stillgelegten Strecken und Rangierbahnhöfen realisiert wurden und die Menschen ihre eigenen Ideen und Arbeitsplätze dank CDU demontieren durften (Bsp Braunkohle und Stahlindustrie), wage ich zu bezeifeln das dies eine gelungene Lösung war. Dies wurde ja sogar mittlerweile von Politikern kritisch eingeräumt. Eine Koexistenz beider Staaten mit einer langsamen Annäherung und Vereinigung wäre hier auch durchaus sinnvoller gewesen. U.a habe ich als "Westler" Bekannte die vom Wandel stark betroffen waren und die ich einst in der Braunkohle als Ingenieure und heute teils als Hilfsarbeiter erlebe. Da ist doch wohl etwas nicht so ganz glatt abgelaufen?
07.03.2012, 22:38
@ Bulungi as ist ein ziemliches Sammelsurium von Platitüden und sozialistischen Programmsätzen, wie ich finde.
Zum ersten hält die USA Südkorea keinesfalls besetzt, sondern hat dort Truppen stationiert- was die meisten Südkoreaner sicher sehr begrüßen. Das die Linke des Landes dies nicht gerne sieht- klar, das wäre bei uns auch so, wenn man die Linkspartei dazu befragen würde. Repräsentativ ist das mitnichten sondern den 25% AntiUSAlisten geschuldet, die es in jedem westlichen Land gibt. Zum zweiten wurde in der Ex-DDR wenig plattgemacht, was auf dem Markt bestehen konnte. Nicht lebensfähige und konkurrenzunfähige Industrie ist natürlich verschwunden, damit auch Arbeitsplätze, die einfach unproduktiv waren. Alternative? Keine, ausser eine extrem hohe Dauersubventionierung zulasten der Steuerzahler und konkurrenzfähiger Marktteilnehmer. Das war für 30% der Bevölkerung schwierig, die auf dem Arbeitsmarkt nicht mehr gebraucht wurden. Die sind in den Westen oder in Vorruhestand, die Arbeitslosigkeit im Osten liegt bei ca. 11% derzeit. So what? In Nordkorea dagegen gibt es nicht mehr viel, was an Industrie plattgemacht werden könnte- die Wirtschaftsleistung pro Kopf liegt bei 10% des Südens. Und das keineswegs wegen Embargos, sondern wegen mangelnder Konkurrenzfähigkeit der Industrie aufgrund mangelnder Investitionen wegen verfehlter Planwirtschaft. Wieder mal: vergleichbar mit DDR 1989, nur krasser. Und sollte mal wieder die Mär des bösen Kapitalismus in Deutschland und Südkorea benutzt werden: sind offizielle 100% Beschäftigungsquote gut, wenn sich die Beschäftigten von ihrer Arbeit fast nichts kaufen können und sogar hungern müssen, weil bei der Schufterei letztlich kein Profit herauskommt?
08.03.2012, 01:23
(07.03.2012, 20:23)Leser schrieb: Deswegen ist ja die Führung Nordkoreas so darauf bedacht, das eigene Volk möglichst wenig über die Verhältnisse ausserhalb des Landes aufzuklären und dafür umso mehr Feindbilder aufzubauen. Worauf beruht Deine, wie ich finde sehr absolute, Aussage? Die Menschen die ich in Nordkorea getroffen habe, und das waren ganz "normale" Menschen wie z.B. Personal in Restaurants und Hotels, wußten sehr viel über die Welt, sicherlich sehr viel mehr, als ein Durchschnittsdeutscher über Nordkorea. Auch ein Land wie Nordkorea ist heutzutage nicht mehr "abgeschottet". Auf jede wichtige Messe in China kommen Nordkoreaner, es gibt Austausch im Sport- und Kulturbereich, Austausch von Studenten und Wissenschaftlern. Und mehr und mehr Handel. Dazu ist die Grenze zu China sehr durchlässig, Informationen über das Ausland haben die Nordkoreaner. Und schließlich hat Nordkorea (ganz in konfuzianistischer Tradition) ein sehr gutes Bildungssystem, wie in den Nachbarländern hat Bildung einen sehr hohen Stellenwert, auch in der Normalbevölkerung. Ich selbst war in keiner Bibliothek, aber was ich gehört und gelesen habe, zumindest in Pjongyang findet sich alles Wesentliche der Weltliteratur.
08.03.2012, 06:19
@Bulungi
Den deutschen Wiedervereinigungsprozess werde ich hier nicht kommentieren, weil es nicht Thema des Threads ist. Eine koreanische Wiedervereinigung über Jahre hinweg ist m.E. nicht machbar. Denn erstens könnte Nordkorea seiner Bevölkerung kaum erklären: "Die im Süden sind jetzt zwar nicht mehr eure Feinde und auch keine schlechten Menschen, aber leider seid ihr viel ärmer als sie, und das wird in den nächsten Jahren auch so bleiben." Und zweitens haben kommunistische Parteien überall auf der Welt nach der Herrschaft gestrebt und keine anderen "Götter" neben sich geduldet (trotz manchmal anderslautender Lippenbekenntnisse). Es ist kaum vorstellbar, dass die kommunistische Partei Nordkoreas sagen wird: "die haben ihr System, wir unseres. Diesen Zustand akzeptieren wir erst einmal. Und bei einer Wiedervereinigung geben wir Teile unseres Systems auf, sie geben Teile ihres Systems auf, dann wird es schon klappen". Wenn auch bei einer Wiedervereinigung beide Teile ihr Wirtschaftssystem (mit Abstrichen) beibehielten, dann müsste der Süden dem Norden weiterhin Hilfe leisten. Eben weil Marktwirtschaft flexibler und effizienter ist als Planwirtschaft. "Leser" hat das auch schon treffend beschrieben. Würde die Bevölkerung des Südens das auf Dauer akzeptieren? Und vor allem: Wer wird Gesamt-Korea dann nach außen hin repräsentieren, der Chef des Nordens, oder der des Südens?
Auch wenn ich einiges zur dt. Wiedervereinigung sagen will, verkneife ich es mir, weil dass so echt off topich waere. Nur so viel, es war richtig, dass Deutschland wieder zusammenwaechst. Es lief nicht alles gut, aber es lief auch nicht alles schlecht. Im Gegenteil das dt. Volk kann stolz sein, was man geleistet hat. Ich war neulich geschaeftlich in Leipzig. Wenn ich denke, wie es da 1988 aussah und jetzt, sehe ich einfach, dass vieles einfach gut lief.
Ich muss Schwabe zustimmen, dass leider bis jetzt die Vergangenheit kommunistische, sozialistische Regime bis jetzt immer gezeigt haben, dass sie trotz Lippenbekenntnisse ihren Alleinregierungsanspruch durchsetzen wollen. Wir duerfen nicht vergessen, dass es 1950 der Norden war, der gemeint hat, den Sueden mit militaerischer Gewalt zur Wiedervereinigung zu bringen. Das wirkt natuerlich nach, auch wenn ich denke, dass 2012 nicht 1950 ist. Und ich wundere mich immer, wieso die USA immer als "Besatzer" oder die Nation hingestellt wird, die "Interessen" an der koreanischen Halbinsel hat, waehrend Russland und China da immer fein rausgehalten werden. Ich denke alle 3 Supermaechte haben eine grosses Interesse an Korea, da wuerde ich keinen von ausnehmen. Und dass in Nordkorea keine russ. oder chinesischen Truppen stationiert sind, haengt daran, dass der Norden selber keine Auslaender haben will, nicht etwa daran, dass diese beiden Laender keine Truppen nach US Vorbild gestellt haetten. Ich mein ein aktuelles Beispiel wie ein sozialistisches Regime ein Land wandelt ist Venezuela. Ein Chavez, der demokratisch gewaehlt wurde, begann recht flott danach, mit dem alten Spielen der Machtaushebelung. Amtszeit des Praesidenten verlaengert mit unbegrenzter Wiederwahl. Pressefreiheit eingeschraenkt, TV Stationen auf Linie gebracht. Daher schwer vorzustellen, dass das nordkoreanische System da so viel anders waere, wenn es koennte. Ich mein auch in Vietnam war es aehnlich. Als die US Truppen weg sind, hat sich der Vietcong ein paar Monate an den Waffenstillstand gehalten und dann wuerde wieder erobert. Wie gesagt, der Kommunismus macht sich selber seit 100 Jahren keine gute PR um es ein wenig flapsig zu sagen. Ich kenn bis heute keine prosperierendes kommunistisches Land ausser China, welches wirklich als lebenswertes Modell exportiert werden koennte. Jeder Wiederveinigung muss meiner Meinung nach, und da wiederhole ich mich mit einer Grenzoeffnung anfangen. Sprich es muss ein ungehinderter Reiseverkehr zwischen Nord- und Sued Korea geben, aber da steuern wir dann auf eine Situation wie Deutschland nach 1945 hin. Der Norden wuerde ausblueten, wie auch "Leser" und "Schwabe" mir beipflichten. Wenn nicht nach Suedkoera dann eben nach China... Das waere ein Exodus sondergleichen. Wie gesagt, der Norden weiss, dass er bei einer Wiedervereinigung nur verlieren kann...auch wenn man natuerlich zu gern in einem wiedervereinigten Korea zugriff auf die suedkoreanische Industrie haette...
08.03.2012, 10:37
Hier ein sicher objektiver, weil wenig politisch gefärbter Artikel zu den Problemen bei der Wiedervereinigung:
http://www.welt.de/wirtschaft/article138...auern.html Das ist noch deutlich fundierter, als ich die Thematik verdeutlichen könnte und trifft es m.E. ziemlich genau und umfassend. Egal, wie wichtig oder gewünscht eine Wiedervereinigung manchem wäre, an den wirtschaftlichen und sozialen Herausforderungen kann man nicht vorbei. Denn letztlich ist jedes Thema schon immer ein Wirtschaftsthema, weil Menschen nur davon leben können, was sie erwirtschaften. Und wenn es einem an die Existenz geht, wird er jede Veränderung bekämpfen. Das gilt für Nord wie Süd, denn beide haben viel zu verlieren. Der Norden seine gehegte Ideologie, der Süden seinen Wohlstand.
Super Artikel! Besser haette man es nicht sagen koennen... Ich denke, dass seit Kim Il-sung niemand wirklich dachte das Land wiederzuvereinigen. Schon gar nicht Praesident Lee, der den Wohlstand der Suedkoreaner nich teilen will, aber auch das Militaer in Norkorea, dass bei einer Wiedervereinigung von einer totalen Aufloesung bedroht waere.
Und bei Kim Il-sung war ich mir nicht sicher, dass er 1972, in der er die Schrift verfasst hatte, nicht die Idee von Vietnam im Kopf hatte, in der Vietcong meinte, man wuerde den Sueden akzeptieren, nur um 2 Jahre spaeter diesen zu erobern. (08.03.2012, 11:09)Italia schrieb: Super Artikel! Besser haette man es nicht sagen koennen... Ich denke, dass seit Kim Jon Sun niemand wirklich dachte das Land wiederzuvereinigen. ... Hallo Italia, Entschuldigung, dass ich zwischenfrage, aber wer war Kim Jong (oder Jon?) Sun, welches Werk vefasste er (sie?) 1972, kannst du uns mehr darüber mitteilen ... Danke vielmals und LG, Kuwolsan edit: Zum - von Leser - verlinkten "Welt"-Artikel: da steht gleich zu Beginn des 2. Absatzes, dass "40% der 41 Millionen Koreaner im Norden wohnen" ... bei diesen Zahlenwerten hat der Journalist aber ordentlich danebengegriffen ...
08.03.2012, 12:17
Sorry, war natuerlich mein Fehler, meinte Kim Il-Sung, in seinen Schriften. War heute morgen ein wenig neben der Kappe.
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