http://bazonline.ch/ausland/asien-und-oz...y/28465802
Eine technische Hochschule im abgeschotteten Nordkorea, gegründet von einem US-Kapitalisten, finanziert von evangelischen Gruppen und mit Professoren aus Europa, den USA und Südkorea. Das klingt nach Wunschdenken oder Fiktion, ist aber Wirklichkeit. Die Pyongyang University of Science and Technology (PUST) hat den Lehrbetrieb mit einem Kurs für technisches Englisch aufgenommen. Wissenschaftliche und Wirtschaftsvorlesungen sollen im März beginnen: auf Englisch.
Die treibende Kraft hinter der einzigen privaten Uni Nordkoreas ist Kim Chin-kyung oder James Kim, wie er sich in Amerika nennt. Der 1935 geborene Kim kämpfte als Teenager im Koreakrieg. Von seinem 800-köpfigen Studentenbataillon überlebten nur 17 Mann.
Monopol im Perückengeschäft
Nach dem Koreakrieg gründete er eine Taxifirma und konnte genug Geld auf die Seite legen, um 1972 in Florida ein Perückengeschäft aufzubauen. Damals dominierte Südkorea die Perückenherstellung. Kim importierte sie in die USA. Er soll schon damals davon gesprochen haben, in China und Korea Schulen zu eröffnen. Aus den USA zog es den Emigranten immer wieder nach Korea, auch nach Pyongyang. Dort schlug er dem Regime schon vor Jahrzehnten vor, auf seine Kosten eine Uni aufzubauen, an der Wirtschaft unterrichtet würde.
In Yanji, der Hauptstadt der koreanischsprachigen Präfektur Yanbian im Nordosten Chinas, gründete er 1992 eine Uni, wie er sie auch in Pyongyang bauen wollte: Yanbian University of Science and Technology. Dort studieren heute etwa 2000 Studenten. Kim leitet die Hochschule selbst, sie rangiert inzwischen unter den besten 100 Lehranstalten Chinas. Für sein Werk machte China ihn zum Ehrenbürger.
Werbung trotz Verhaftung
Kim wurde nicht müde, in Pyongyang für sein Projekt zu werben. Selbst dann nicht, als er während der Hungersnot 1998 von der Geheimpolizei verhaftet wurde. Er hatte Lebensmittelhilfe organisiert – zum Dank beschuldigte ihn das Regime, ein amerikanischer Spion zu sein. Mehr als 40 Tage schmachtete er in einem nordkoreanischen Gefängnis. Aber er gab nicht auf. Im Jahre 2001 erhielt er nach einer Audienz beim «Geliebten Führer» Kim Jong-il grünes Licht. Im Nakrang-Distrikt am Südufer des Taedong-Flusses gegenüber dem Stadtzentrum von Pyongyang begann er mit dem Bau für den Campus. Im Jahre 2003 hätte PUST den Lehrbetrieb aufnehmen sollen.
Aber dann kam US-Präsident Bush mit seiner Achse des Bösen, der Irak-Krieg und die nordkoreanischen Atomtests. 2008 hatte Kim Jong-il seinen Schlaganfall, und alles wurde noch einmal auf Eis gelegt. 2009 war das Projekt dann wirklich bereit. Pohang, eine der besten technischen Universitäten Südkoreas, erklärte sich zur Partnerschaft bereit. Die südkoreanische Regierung steuerte ihrerseits etwas Geld bei. PUST solle ein Fenster Nordkoreas zur Welt werden, erklärte James Kim, und versprach allen Studenten Internetzugang.
Nordkoreaner schreiten vorwärts
Der japanische Journalist Jiro Ishimaru, der ein Netz von Untergrundjournalisten im Innern Nordkoreas unterhält, sagte am Montag in Tokio, Nordkorea verändere sich schneller als einst China. Weil die staatliche Versorgung total zusammengebrochen sei, habe sich von der Basis her ein Markt entwickelt. Und auf diesem Markt würden auch Informationen gehandelt – DVDs aus China und Südkorea etwa. Jiro Ishimaru wehrte sich gegen das Klischee von den hündisch regimetreuen Nordkoreanern – die Menschen wüssten sich selber zu helfen. Der Journalist ist überzeugt, dass die dynastische Nachfolge von Kim Jong-il auf Kim Jong-un scheitern wird.
Und nicht zuletzt für diesen Moment will James Kim an seiner Uni Leute ausbilden. Ein Anfang wurde letzte Woche mit 200 Studenten gemacht. Bald sollen es 2700 sein.