(12.09.2012, 18:19)Blauer Apfel schrieb: Warum hassen die herrschenden Kreise in den westlichen Staaten Nordkorea?
Im Falle der "herrschenden Kreise" Deutschland z.B. meine ich, dass die ähnliche Vergangenheit eher wohlwollendes Mitgefühl auslöst, wobei ich vermute, dass die hiesigen "herrschenden Kreise" kalkulieren, dass ein endlich wieder vereintes Korea den anmaßenden westlichen und östlichen Nachbarn Koreas mehr Parole bieten könnten, als dass dich die zwei kleinen Möchtegerns dauernd selber zerfleischen.
... das war nun schon aber schon extrem OT ...
Nun zuerst zu Luise Rinser,
ich denke nicht, dass man alleine ihr und dem von ihr bewunderten Kim Il Sung die Schuld für das mißglückte Reisetagebuch in die Schuhe schieben soll ...
Ich stelle mir die Situation in Pyongyang folgendermaßen vor:
Luise Rinser sitzt mit Kim Il Sung an einem schönen Sommertag auf einer Gartenbank einer Staatsvilla und es beginnt das Interview.
Luise: Du, Il Sung, ich möchte ein wunderschönes Märchen über Korea und die wunderbaren Menschen in Korea schreiben, was kannst du mir dazu erzählen?
K.I.S.: Ach Luise, bei uns gibt es nur gute Menschen, es gibt keine Verbrechen und deshalb natürlich auch keine Gefängnisse ...
Luise: Ach, welch schönes Märchen! Aber Il Sung, du weißt auch, wir Deutschen lieben das Abgründige, bitte erzähle mir für meine Leserschaft auch eine garstige Geschichte! Wie war das nochmals mit dem Ali Lambada und dem Jakob Sedillot?
K.I.S.: Ach Luise, diese Kommunisten-Träumer, sie behaupteten ich wäre zu stolz und veranlasse einen Personenkult um mich! Die haben keine Ahnung von koreanischer Politik! Was blieb mir anders übrig, als sie im Arbeitslager verfaulen zu lassen. Nach einigen Jahren kam dann der kleine Nicolai aus Bukarest und bat inständig um deren Freilassung. Und ich, ich großer Humanist, entsprach seinen Wünschen. Aber was kann ich dafür, dass uns der magersüchtige Franzose vor seiner Freilassung wegstirbt ...
Luise: Oh, welch schön makrabe Gschichte!
Luise, zufrieden mit beiden von K.I.S. erzählten Märchen kehrte nach Deutschland zurück, und legte diese ihrem Verlag vor.
Der christliche Verleger: das erste Märchen ist human und edel, das werden wir veröffentlichen, das zweite Märchen ist garstig und brutal, das werfen mir lieber in den Mistkübel ...
So denke ich, wird sich das alles abgespielt haben ...
Doch Ausgangspunkt dieses ganzen threads war ein angebliches Zitat und die Frage nach der Quelle!
Bislang konnte oder wollte niemand die Quelle angeben, warum denn nur?
Ich meine, dass das ursprüngliche gesuchte Zitat auf S. 25 in David Hawks Bericht "Hidden Gulag" aus dem Jahre 2003 nachzulesen ist:
http://www.davidrhawk.com/HiddenGulag.pdf
Von dort haben dann alle anderen abgeschrieben ...
Meine Überlegungen dazu:
Das Zitat ist ein kurzer prägnanter Satz, er soll vom Kim Il Sung im Jahr 1972 ausgeprochen worden sein!
Schriftlicher Beleg dazu wird keiner geliefert, Hinweise dafür gibt es nur aus mündlichen Berichten geflohener Arbeitslager-Häftlinge.
Aber was passierte noch 1972: da wurde die neue Juche-Verfassung Nordkoreas promolgiert und im Kapitel "Gerichtswesen" wurde ein Paragraph neu eingefügt, der die Gerichte anweist, streng gegen die "Klassenfeinde" vorzugehen!! (warum das die Aufgabe der Gerichte und nicht der Polizei sein sollte, entschließt sich meiner Erkenntnis, ein Gericht sollte wohl auch in Nordkorea nur urteilen, aber ... quid quid peregrinus).
Inhaltlich geht es im besagten Zitat doch um die Sippenhaftung !!
Hawk schilderte in seinem Bericht Fälle der Sippenhaftung, die er z.B. schon mit 1970 datiert; gab es die Sippenhaftung tatsächlich, wurde diese also nicht erst 1972 durch ein Statement Kim Il Sungs oder durch die neue Verfassung eingeführt.
Sippenhaftung ist für uns ein Begriff, den wir eher mit dem Mittelalter assoziieren. In Korea war die Sippenhaftung bis 1910, also bis zum Beginn der japanischen Kolonialzeit ein übliches Mittel des Strafvollzuges.
Dann kamen die Japaner, führten "moderne" Gesetze ein und schafften die Sippenhaftung ab.
1948, Nord- und Südkorea sind wieder souveräne Staaten, japanische Neuerungen werden natürlich in beiden neuen Staaten rückgängig gemacht, und so wird auch die Sippenhaftung wieder eingeführt, ist ja für die Koreaner - egal ob Nord oder Süd - was typisch koreanisches.
In Südkorea wird die Sippenhaftung offiziell erst 1980 abgeschafft, innerhalb des südkoreanischen Militärs (die hohen Offiziersränge betreffend) gibt es sie auch heute noch.